Fernunterricht als unverzichtbarer Bestandteil einer
zukunftsfähigen beruflichen Erstausbildung

 

Der demografische Wandel, die fortschreitende Digitalisierung und der akute Fachkräftemangel erfordern eine grundlegende Neuausrichtung der beruflichen Erstausbildung in Deutschland. Staatlich zugelassener Fernunterricht bietet dabei als didaktisch und organisatorisch erprobte Lernform eine entscheidende Lösung für die drängenden Herausforderungen. Es ist an der Zeit, Fernunterricht nicht mehr nur als Ergänzung, sondern als integralen Bestandteil eines modernen Ausbildungssystems anzuerkennen und rechtlich zu verankern.

Die kritische Ausgangslage: Berufsbildung unter massivem Veränderungsdruck

Die berufliche Erstausbildung in Deutschland steht an einem Wendepunkt. Demografischer Wandel und Fachkräftemangel führen zu immer mehr unbesetzten Ausbildungsplätzen bei gleichzeitig hoher Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Allein im Jahr 2024 blieben bundesweit 69.400 Ausbildungsplätze unbesetzt, weitere 70.400 junge Menschen fanden keinen Ausbildungsplatz, da nach wie vor das Problem besteht, das Ausbildungsangebot und die Jugendlichen zusammenzuführen. Diese strukturelle Diskrepanz gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wirtschaftsstandorts und erfordert neue Lösungsansätze.

Während Fernunterricht in der Weiterbildung und akademischen Bildung längst etabliert ist und durch staatliche Stellen wie die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) und bei berufsbildenden Maßnahmen zusätzlich durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) vollumfänglich kontrolliert und zertifiziert wird, bleibt er in der dualen Erstausbildung weitgehend unterreguliert oder gar ausgeschlossen. Diese Inkonsistenz verhindert die notwendige Modernisierung des Ausbildungssystems und steht im Widerspruch zur zunehmend digitalen Arbeitswelt.

Die Pandemie hat gezeigt, dass flexible Lernformen nicht nur möglich, sondern in Krisenzeiten unverzichtbar sind. Diese Erfahrungen sollten in nachhaltige Strukturen überführt werden, statt zur Vorkrisensituation zurückzukehren. Fernunterricht bietet dabei die Möglichkeit, die duale Ausbildung zukunftsfähig und auch an die Arbeitspraxis angepasst zu gestalten und gleichzeitig ihre Qualität durch strenge staatliche Kontrolle zu sichern.

Rechtliche Grundlagen: Der Weg ist bereits geebnet

Die Einführung des § 43 Abs. 2 BBiG im Jahr 2005 markierte einen wichtigen Meilenstein für die Modernisierung der beruflichen Bildung. Der Gesetzgeber hat damit bewusst "Raum für neuartige Formen der Ausbildung in den anerkannten Ausbildungsberufen" geschaffen, "indem etwa der herkömmliche Berufsschulunterricht durch gleich- oder höherwertige theoretische Unterweisung ersetzt wird".

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in seinem grundlegenden Beschluss vom 20.12.2019 bestätigt, dass auch private Ausbildungsgänge die Voraussetzungen der Zulassung nach der dreijährigen Berufsausbildung erfüllen können. Entscheidend ist dabei die nachgewiesene Gleichwertigkeit mit der jeweiligen Ausbildungsordnung.

Die für 2025 geplante Änderung des Berufsbildungsgesetzes bezüglich des mobilen Ausbildens unterstreicht die zunehmende Anerkennung flexibler Ausbildungsformate und bietet die Chance, Fernunterricht als festen Bestandteil der Erstausbildung zu etablieren. Auch die Stellungnahme des Hauptausschusses des BIBB zum mobilen Lernen und Ausbilden aus dem Jahr 2023 unterstützt diesen Ansatz.

 

Fernunterricht als Qualitätsgarant und Lösungsweg

Fernunterricht ist keine Notlösung, sondern ein qualitätsgesicherter Bildungsweg mit einzigartigen Vorteilen:

  •  Höchste Qualitätsstandards durch mehrfache Kontrolle
    Fernunterricht ist durch die ZFU und bei berufsbildenden Kursen durch das BIBB umfassend staatlich geprüft. Weiterbildungen per Fernunterricht werden zudem – zugelassen nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (bereits seit vielen Jahren erfolgreich in der Arbeitsförderung eingesetzt. Diese doppelte Qualitätssicherung garantiert ein hohes Niveau der Bildungsangebote und transparente Verfahren – ein entscheidender Vorteil gegenüber nicht reglementierten Bildungswegen.

  • Erschließung neuer Zielgruppen für die Ausbildung
    Fernunterricht ermöglicht den Zugang zur beruflichen Bildung für Menschen mit Betreuungspflichten, Mobilitätseinschränkungen, in strukturschwachen Regionen sowie für Berufstätige mit Reiseaktivität oder in Schichtbetrieben. Dabei wird Weiterbildung ermöglicht, ohne dass Personen dem Arbeitsmarkt entzogen werden müssen. Dies trägt direkt zur Fachkräftesicherung bei und fördert die Chancengerechtigkeit in der Berufsbildung.

  • Förderung digitaler Schlüsselkompetenzen
    In einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt vermittelt Fernunterricht nicht nur Fachwissen, sondern stärkt gleichzeitig Medienkompetenz und Selbstlernfähigkeit – Schlüsselqualifikationen für die moderne Arbeitswelt.


Unsere konkreten Forderungen: Fernunterricht systematisch integrieren

Der Bundesverband der Fernstudienanbieter fordert:

  1.  Gesetzliche Verankerung hybrider Ausbildungsmodelle
    Die Ergänzung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ist notwendig, um Fernunterricht explizit als Form der Vermittlung im Rahmen der Erstausbildung zu legitimieren (z.B. in
    § 2 BBiG). Parallel müssen die Schulgesetze der Länder angepasst werden, um digitalen zeitflexiblen Unterricht in Berufsschulen rechtlich abzusichern.

  2. Anerkennung digitaler Lerneinheiten in Ausbildungsordnungen
    Qualitätsgesicherte digitale Lernformate müssen systematisch in Ausbildungsrahmenpläne integriert werden. Dies erfordert eine Flexibilisierung der Lernortkooperation zwischen Betrieb und Berufsschule und die Entwicklung zeitgemäßer didaktischer Konzepte.

  3. Staatliche Förderung innovativer Fernunterrichtsformate
    Modellprojekte für hybride Ausbildung sollten gezielt gefördert werden, um Best-Practice-Beispiele zu etablieren. Bildungsträger benötigen Unterstützung bei der Entwicklung digital-didaktischer Konzepte für die Erstausbildung.

  4. Etablierung bundesweit einheitlicher Anerkennungsverfahren
    Die bestehenden Qualitätssicherungssysteme wie ZFU und AZAV müssen als Grundlage für die Anerkennung von Fernunterricht in der Erstausbildung genutzt werden. Die Prüfung durch die Kammern sollte sich auf die Gleichwertigkeit und Berufsfeldrelevanz konzentrieren, nicht auf die Lernform.

  5. Partnerschaftlicher Dialog mit allen Akteuren
    Wir fordern einen konstruktiven Dialog mit BIBB, BMBF und den Kammern, um gemeinsam die Zukunft der Berufsbildung zu gestalten. Statt Fernunterricht zu blockieren, sollten wir seine Potenziale zum Wohle der Auszubildenden und der Wirtschaft nutzen.

 

Fazit: Die Ausbildung der Zukunft braucht digitale Lernwege

Die Integration von staatlich zugelassenem Fernunterricht in die berufliche Erstausbildung ist kein Risiko, sondern eine zentrale Chance für das deutsche Ausbildungssystem. Fernunterricht bietet Flexibilität, Inklusion und staatlich gesicherte Qualität – drei entscheidende Faktoren für eine zukunftsfähige Berufsbildung.

Die Politik ist jetzt gefordert, diesen Weg aktiv mitzugestalten – mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, gezielter Förderung und einem offenen Blick für innovative Bildungswege. Eine Ablehnung von Fernunterricht in der Erstausbildung würde nicht nur dem Geist des Berufsbildungsgesetzes widersprechen, sondern auch die dringend notwendige Modernisierung und Flexibilisierung der beruflichen Bildung behindern.

Deutschland braucht diesen Schritt, um sein bewährtes duales Ausbildungssystem für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fit zu machen und den wachsenden Fachkräftemangel wirksam zu bekämpfen.

 

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Stand: April 2025